Hausparty
Wie man eine Party, die zu kippen droht, einfängt und was das mit der wirtschaftlichen Lage zu tun hat.
Es ist 23 Uhr. Ihre Hausparty ist im vollen Gange und alle sind gut dabei. Aber erste Anzeichen auf ein ungeplantes Ende der heiteren Stimmung machen sich am Horizont breit. So wird der chinesische Austauschstudent, der am Anfang kräftig mitgetrunken hat, immer ruhiger und sitzt ein wenig apathisch in der Ecke. Auch die Jungs von der Opel-Gang haben zwei Gänge runtergeschaltet und wissen nicht so recht weiter. Und zu guter Letzt sind da um 22 Uhr die beiden stadtbekannten Party-Crusher aufgetaucht – Boris und Donald. Und bei denen weiß man nie was als nächstes kommt.
Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Ich finde, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage dem obigen Szenario einigermaßen entspricht. Denn dort gibt es auch die ersten Anzeichen, dass die Party vielleicht demnächst vorbei ist.
- Lieferanten, die letztes Jahr auf Angebotsanfragen nicht mehr reagiert haben, melden sich plötzlich und sagen, dass diese Kapazität haben.
- Der Stahlpreis fällt. So ist dieser seit Anfang des Jahres um ca. 5% zurückgegangen, im Vergleich zu Mitte 2018 sogar um 12-15%
- Erste Betriebe, insbesondere im Automotive-Umfeld, senken die Wochenarbeitszeit und melden teilweise Kurzarbeit an
- Kongresse und Schulungen verzeichnen weniger Teilnehmer
Es geht mir nicht darum, eine Krise herbeizureden, die (noch) keine ist. Das sollen andere Medien oder Marktschreier machen. Vielmehr geht es darum, die richtigen Schlussfolgerungen aus der aktuellen Situation zu ziehen und zu handeln. Denn ein Partyglas, welches bis zur Mitte gefüllt ist, kann ich als „halbvoll“ oder als „halbleer“ betrachten.
Somit habe ich sechs Vorschläge, die Ihnen in den aktuellen Zeiten weiterhelfen können:
- Wenn die hohe Auslastung zurückgeht, dann heißt dies auch, dass sich der aktuelle „Verkäufermarkt“ zum „Einkäufermarkt“ dreht. Und da ist es wichtig, dass Konditionen überprüft werden, die z.B. letztes und vorletztes Jahr vereinbart worden sind unter dem Motto „Egal was es kostet – Hauptsache, es macht einer!“ Aber auch unter dem oben genannten Rückgang der Rohstoffpreise, macht es Sinn, sich die Teile noch einmal aufzurufen und nachzuverhandeln. Das gilt übrigens auch für Aluminium (-15%) oder Kunststoff (unterschiedlich).
- Auch sollten Sie überlegen, von wem Sie letztes Jahr eine Absage erhalten haben, da diese komplett ausgelastet waren. Je höher der Automotive-Anteil in seinem Geschäft ist, desto eher wird er wieder freie Kapazitäten haben. Dies gilt auch für Lieferanten aus Osteuropa, die letztes Jahr auch unabhängig von einer Schwerpunktbranche sehr stark ausgelastet waren.
- Es gibt natürlich auch Lieferanten, die am Tropf der Automotive-Industrie hängen. Wenn Sie jetzt schon mit solchen Unternehmen zu tun haben, dann empfiehlt es sich, einen Alert-Service bei z.B. Creditreform, Bisnode oder anderen Auskünften einzuschalten. Vielleicht ist das insgesamt eine gute Gelegenheit, das Thema „Systematisches Risikomanagement“ im Einkauf einzuführen. Wer hier Unterstützung oder ein Training benötigt, der kann sich gerne bei uns melden.
- Wenn nun die Auftragslast nicht mehr so hoch ist auf beiden Seiten, dann können auch Themen angegangen werden, die in den letzten Jahren immer aufgeschoben worden sind. Z.B. der gemeinsame Wertanalyse-Workshop zur Produktkostenoptimierung, die Einrichtung des Konsignationslagers oder die Verbesserung der Supply-Chain-Prozesse miteinander. Es ist klar, dass der Grat zwischen „zu viel Arbeit“ und „zu wenig Arbeit“ immer sehr schmal ist. Aber das konkrete Angehen dessen und die Fixierung von Terminen in Outlook helfen dabei.
- Wenn sich die Lage entspannt, dann sinken auch die Wiederbeschaffungszeiten. Wo letztes Jahr noch 30 Wochen notwendig waren, lässt sich das Material jetzt in wenigen Wochen beschaffen. Überprüfen Sie Ihre Dispositionsparameter und überlegen Sie beim Neuabschluss von Rahmenabrufaufträgen, welche Menge in den nächsten Jahren passend ist.
- Der Maschinenbauer Trumpf hat die letzte Krise genutzt, um die eigenen Mitarbeiter durch temporäre Job-Rotation weiter zu qualifizieren. Hierdurch haben die Mitarbeiter die Anforderungen der angrenzenden Bereiche besser verstanden und die Art der Zusammenarbeit hat sich insgesamt verbessert. Wer nicht gleich auf Job-Rotation gehen will, der kann ja überlegen, wie nichtsdestotrotz seine Mitarbeiter weiterqualifiziert werden können mit Themen wie z.B. „Warengruppenmanagement“, „Produktkostenanalyse“ oder „Digitalisierung“. Wir hätten da auch einiges im Angebot (https://www.durchdenkenvorne.de/weiterbildung/).
Ich hoffe, dass für Sie einige praktikable Ansatzpunkte dabei sind. Denn Sie haben es in der Hand. Es ist Ihre Party. Schnappen Sie sich ein paar Freunde, die noch fit sind, und räumen Sie die größten Gefahrenherde aus dem Weg, bevor die Party kippt. Denn dann bleibt sie für alle in toller Erinnerung und der Kater am nächsten Morgen ist nicht allzu groß.
Bild: “Hausparty in Göttingen” von Neuwieser. Lizenz: CC BY-SA 2.0