Was Ihr Vokabular über Ihre wahre Haltung verrät
Unwörter für den geradlinigen Manager
Kennen Sie Herrn Man? Oder Frau Keiner? Sie mögen jetzt den Kopf schütteln, aber Sie sprechen wahrscheinlich täglich von Ihnen, obwohl Sie ihnen noch nie begegnet sind.
Mein Lieblingskandidat ist Herr Jemand. Von dem rede ich gern im Konjunktiv, zum Beispiel: „Jemand müsste mal die Daten bereinigen“ oder „Jemand könnte die Auswertung machen“. Leider treffe ich ihn nie, obwohl so viele Aufgaben auf ihn warten. Blöde Sache. Ich glaube, Sie wissen jetzt, worum es geht. Es gibt ein Vokabular, das eine bestimmte innere Haltung zum Ausdruck bringt:
- „Das muss angepackt werden, ich mache das aber nicht!“
- „Hey, das ist deine Aufgabe, aber ich trau mich nicht, dies dir gegen- über so direkt anzusprechen.“
- „Kein Plan, wie das geht, und auch keine Bereitschaft, dort tiefer einzusteigen.“
Wohlgemerkt: Ich bin kein Heiliger, sondern auch sündiger Benutzer dieser Wörter. So habe ich mich hingesetzt und diese gesammelt und kommentiert. Hier mein Kompendium:
- Jemand, man, keiner: Die Herren und Damen habe ich schon vorgestellt.
- Eigentlich: Will sagen, das Eigentliche soll auf jeden Fall passieren.
- Irgendwie: Wird gern genauso benutzt wie „eigentlich“. Bringt vielleicht noch zum Ausdruck, dass derjenige auch nicht konkret darüber nachdenken will, wie es anzugehen ist.
- Hätte, wäre, könnte, müsste: Wer den Konjunktiv richtig in konditionalen Satzverbindungen verwenden kann, ist klar im Vorteil. Leider aber wird er gern in Verbindung mit den Herrschaften „jemand“, „man“ und „keiner“ genutzt, wo ich mir inzwischen denke: „Will ich das jetzt oder trau ich mich nicht?“
- Ich glaube, dass…: Ich bin aktiver Katholik und finde, dass das mit dem Glauben ganz gut in der Kirche aufgehoben ist. Wer glaubt, will sich nicht auf die Suche nach Zahlen, Daten, Fakten (ZDF) begeben.
- In der Praxis ist es so, dass…: Besser kann man sein Gegenüber nicht diskreditieren. Mit der Formulierung unterstellt man ihm, dass er von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Bitte nicht mehr mir gegenüber verwenden – ich reagiere darauf inzwischen sehr allergisch.
- Wenn man das mal realistisch betrachtet…: Auch so eine schöne Herabsetzung meines Gesprächspartners. Hat dieser vorher die rosarote Brille aufgehabt oder bewußtseinserweiternde Mittel zu sich genommen, die ihm den Blick verklärt haben?
- Wenn man das mit gesundem Menschenverstand angeht…: Ich empfehle die Gegenfrage: „Ok, aber was sind jetzt die konkreten Schritte?“ Häufig kommt dann von dem ach so gesunden Menschenverstand plötzlich gar nichts mehr.
- Ordentlich: Gleiche Kategorie wie „gesunder Menschenverstand“ oder „realistisch“. Haken Sie nach, was damit gemeint ist, oder antworten Sie in den Worten des Kängurus von Marc-Uwe-Kling: „Ordentlich, unordentlich – das sind doch bürgerliche Kategorien.“
Seitdem sie mir bewusst sind, bemühe ich mich, diese Phrasen weniger zu benutzen, um direkter und geradliniger zu werden. Mal klappt es und manchmal auch wieder nicht. Vielleicht finden auch Sie Gefallen daran und folgen meinem Aufruf zu mehr Geradlinigkeit. Wenn Sie auch einige Unwörter und Phrasen kennen, die sich in Ihr Vokabular eingeschlichen haben, so würde ich mich über die Zusendung freuen (E-Mail: geradlinigkeitnothing@durchdenkenvorne.de). Vielleicht haben „Herr Man“ und „Frau Keiner“ Verwandte, die ich noch nicht kenne.